Miriam Jonas
Lieber Kai,
danke, dass du dein Postkartenprojekt auch an mich gerichtet hast.
Ich denke, dass mein Beitrag in vielerlei Hinsicht für sich spricht, da es sich um eine sehr allgemeine, symbolische Form in der momentanen Situation handelt. Die Behelfsmaske, der Mund-Nasen-Schutz. Vielleicht bekommst du sogar von anderen einen ähnlichen Beitrag. Es ist ja immer interessant, wie parallel Künstler*innen denken.
Dennoch bzw. deshalb möchte ich dir ein wenig mehr schreiben, um dir meinen persönlichen Hintergrund zu erläutern. Ich wette, auch diesen teile ich mit einigen.
Gleich zu Beginn der Corona-Krise setzte ich mich voller Überzeugung im Akkord an die Nähmaschine und war beseelt von dem Gedanken, Behelfsmasken an Berliner Pflegeheime zu spenden. Ich tat es – und damit auch mir etwas Gutes. Es half denen, die danach verlangten, und gab mir erstaunlicher Halt.
Nach ein paar Tagen wurde es schwieriger. Nicht nur, weil überall der Krieg der Kurzwaren wütete. Nein, auch meine eigene gedankliche Elastizität ließ nach wie kochfeste Gummilitze (so nennt sich das… ein Wort, das ich aus dieser Krise für mich dazu gelernt habe wie andere Triage). Ich war genervt von den Mechanismen, Erwartungen, Unsicherheiten, Stereotype und Wünschen, die dieses für alle überraschend neue Feld auch in mir erzeugte.
Ich begann, meine eigenen guten Absichten zu drehen und zu wenden. Wie ehrlich ist und wie weit geht meine Solidarität? Wann denke ich mir, dass ich keine Lust mehr habe, ein Tropfen auf dem heissen Stein zu sein, obwohl ich weiß, dass jede Maske hilft? Wo liegt eigentlich mein privilegiertes Problem??
Bin ich als Künstlerin so narzisstisch, dass ich spätestens nach ein paar Tagen selbstgewählten allgemeinnützigen Arbeitens einen über dies hinausgehenden ‚künstlerischen Sinn‘ erkennen muss? Ist das andererseits nicht genau mein Deal mit meinem Leben und der Gesellschaft?
Und wieso akzeptiere ich, dass man mich allgemein privilegiert nennt, aber niemals, wenn das Künstlerinnensein als Privileg bezeichnet wird?
Das Grollen der Abhängigkeit, von dem su sprichst, ist vielleicht in erster Linie die Abhängigkeit davon, sich selber (mit oder ohne Maske) morgens im Spiegel noch erkennen zu wollen.
Alles Gute und Danke für die Gelegenheit, über das Gute und das Grollen nachzudenken.
Theresa Katharina Horlacher
Wien was bringt dir dein Prunk
Was bringen dir deine Häuser
und deine Pferde. Was bringen dir
die Cafés, was bringt dir dein
Reichtum? Es hat so wenig Sinn.
Ohne Menschen in dir. So wenig
Leben in dir. Aber doch keine Gefahr
für dich. Du bist so schön dass dir
keiner was kann. Deine Schön-
seit ist Schutzschild. Das untersch-
eidet uns .
Und
Ich liebe alles was ich momentan
nicht haben kann und schäme
mich für meine Oberflächlichkeit
und meine Schwäche. Die Angst
allein zu sein wächst am einen
und schrumpft am nächsten Tag.
Gespräche voller Hoffnung die
doch keine Besserung versprechen.
Ich bin geduldig, eine Eigen-
Schaft die mir zu Gute kommt
in der Krise. Dies ist nicht
meine Krise. Keine Lebenskrise.
Ich hatte schlimmere Krisen. Auf
die ich stolz bin sie überlebt zu haben.
Nora Gomringer
Trost: Toast duftet noch
Vögel treffen ihre Töne
Mama ist noch zu erreichen
Ich nehme zu, als gäb’s
(k)ein Morgen